Donald Trump und die Zivilreligion der USA

Warum Donald Trump die Welt verändert hat – und was wir für die Zukunft daraus lernen müssen

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»Ich denke, dass Gott wollte, dass er Präsident wird«, so begründet Sarah Sanders, Sprecherin im Weißen Haus, 2019 in einem Exklusiv-Interview den Erfolg Donald Trumps Dieser Satz klingt für säkulare Europäer anstößig bis lächerlich. Für Amerikaner dagegen stellt er ein politisches Argument dar. Die überwiegende Mehrheit der amerikanischen Bevölkerung sind Christen, und ein großer Teil ist von evangelikaler Bibelfrömmigkeit und christlichem Fundamentalismus geprägt. Seit den 1950er-Jahren schmiedete der Prediger Billy Graham erfolgreich an der politischen Allianz zwischen Republikanischer Partei und konservativen Christen. Aber wie kommt es, dass ein Immobilienmogul und Partylöwe wie Donald Trump als religiöse Identifikationsfigur taugt?

Die Zivilreligion der Vereinigten Staaten

Die strenge Trennung zwischen Staat und Kirchen ist in der amerikanischen Verfassung fest verankert. Aber die Gesellschaft der USA selbst ist der Bezugsrahmen für eine besondere Form der Religion. In den 1960er-Jahren analysierte der Soziologe Robert Bellah die Religiosität der US-Amerikaner als »Zivilreligion« im Sinne des französischen Aufklärers Jean-Jacques Rousseau. Rousseau hatte eine Religion der staatlichen Gesellschaft gefordert, die losgelöst von der Vorherrschaft der Kirchen existieren sollte. Diese Religion verbindet alle Bürger zu einer Gemeinschaft auf Basis ihrer Zustimmung zu den gleichen moralischen Werten. In den USA kommt das darin zum Ausdruck, dass der US-amerikanische Patriotismus religiöse Züge trägt: Die Vereinigten Staaten verstehen sich als »God's Own Country« (Gottes eigenes Land). Das Erwählungsbewusstsein der Bibel wird auf die amerikanische Gegenwart übertragen, und die Bibel selbst wird zu einem Buch politischer Argumentation.

Ist Donald Trump Gotteslästerer oder Erlöser?

Mit seiner Siegesparole »America first« (Amerika zuerst) appellierte Trump geschickt an dieses religiöse Erwählungsbewusstsein. Das beschreibt Andreas G. Weiß, österreichisches Mitglied der »American Academy of Religion«, in seinem Buch »Trump – Du sollst keine anderen Götter neben mir haben«.

Andreas G. Weiß macht in seinem Buch für Europäer verständlich: Wie konnte es 2016 zum »Ereignis Trump« kommen? Welche Konsequenzen hat es mittelfristig für Politik und Religion? Er streicht heraus, wie Donald Trump die etablierten Seilschaften konservativer Politik und Religion in den USA benutzte, um an die Macht zu kommen.

Seit Trump an der Macht ist, nimmt er keine Rücksichten auf die eingespielten Abläufe des Systems. Er regiert via Twitter und nicht in Ansprache,  er beschimpft die Presse oder lässt diese gar wortlos stehen. Das US-amerikanische System der Gewaltenteilung, der »checks and balances«, zwischen Präsident und Parlament, zwischen Gesetzgeber und Gerichten, zwischen Volksvertretern und Presse, gerät in Mitleidenschaft. Selbst für evangelikale Christen wird fraglich: Versteht der 45. Präsident sich als Anführer der christlichen Zivilreligion Amerikas oder sieht er sich gar selbst als Erlöser? Der renommierte protestantische Theologe Stanley Hauerwas veröffentlichte zur Amtseinführung einen Kommentar in der »Washington Post«. Dort schreibt er, dass Trumps Appell an die Religiosität seiner Wähler nichts mehr mit Christentum zu tun habe. Stattdessen handele es sich um die religiöse Verbrämung von Nationalismus. Das nationale Selbstgefühl der US-Amerikaner vergötze sich selbst.

Die Zivilreligion der USA ist durch den calvinistischen Protestantismus geprägt. In seiner Jugend hörte Donald Trump die Predigten des New Yorker Pastors Norman Vincent Peale (1898–1993). Die Botschaft dieses Theologen und Bestseller-Autors war einfach: Wer positiv denkt und genügend persönlichen Einsatz zeigt, wird im Leben erfolgreich sein und ist von Gott gesegnet. Eine Anschauung, die als Grundpfeiler der US-amerikanischen Zivilreligion gelten kann. Ob Trump persönlich gläubig ist? Jedenfalls wählten ihn über 80 Prozent der streng bibelgläubigen US-Christen. Bei seiner Vereidigung als Präsident legte er die eigene Familienbibel über die Bibel Abraham Lincolns. Bereits im Wahlkampf hatte er sich stets mit seiner Bibelausgabe gezeigt. Natürlich wurde ihm vorgeworfen, diese Bibel aus reinem Kalkül zur Wählergewinnung einzusetzen.

aus: Andreas G. Weiß, Trump – Du sollst keine anderen Götter neben mir haben (2019).

 

Nach Donald Trump bleibt nichts, wie es war

In seinem Buch legt Andreas G. Weiß offen, was jenseits der Tagespolitik von Trump bleiben wird. Die Allianz zwischen Republikanischer Partei und konservativen Christen ist angeschlagen. Die US-amerikanische katholische Bischofskonferenz hat öffentlich gegen die fremdenfeindliche Migrationspolitik des Präsidenten Stellung bezogen. Mehr noch: Der Politikstil Donald Trumps hat das demokratische System der Vereinigten Staaten nachhaltig erschüttert. Der »American Dream« war das Versprechen des Einwanderungslandes USA, das jedem die Chance auf Freiheit und Glück bieten wollte. Daraus wurde ein »America first«, mit der sich das Amerika der weißen Männer gegen den Rest der Welt abschottet und isoliert. Dieses Erdbeben wird nachwirken, auch noch lange nach dem Tag, wenn Donald Trump von seinem Nachfolger abgelöst werden wird.


Andreas G. Weiß

Andreas G. Weiß

Dr. Andreas G. Weiß ist Theologe und Religionswissenschaftler mit Forschungsaufenthalten in den USA. Der stellvertretende Direktor des Katholischen Bildungswerks Salzburg ist Mitglied der »American…

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