Türchen 21 – Eine Betrachtung der menschlichen Hoffnung

Nicht nur unser Körper braucht Nahrung, auch unsere Seele. Über die Hoffnung, die wir alle in uns tragen, lesen Sie heute eine Inspiration von Brigitte Romankiewicz.

Weihnachten Advent Inspiration Hoffnung

Hoffnung wagen

Was können wir tun, wenn uns die Hoffnung auf ein Leben in Freude abhandengekommen ist? Wenn uns das Dasein als eine Kette von Enttäuschungen erscheint und wir womöglich an einem Punkt sind, wo wir »nicht weiterwissen«, keinen Weg hinaus?

Keinen Ausweg, nicht weiterwissen – das ist Hoffnungslosigkeit, denn die Zuversicht, dass »es« über die gegenwärtige Misere hinaus weitergeht, und sinnvoll weitergeht, ist der Kern aller Hoffnung. Hoffnung öffnet die Tore zur Zukunft, trägt über Schwellen, ermöglicht das Aufgehen des Neuen – doch wenn wir in Hoffnungslosigkeit gefangen sind, scheint uns die Welt verdunkelt, vernagelt und verhext. Dann sind wir blind für jeden Hoffnungsschimmer.

Wie sie nun wieder herzaubern, die Hoffnung? Warum »haben« sie die einen und den anderen zeigt sie scheinbar immer nur die kalte Schulter der Befürchtung und Resignation?

Seien wir kühn. Wagen wir einfach einmal die These, das Hoffen sei in jedem von uns und von jeher zumindest potenziell angelegt, sei uns von Anfang an mitgegeben als ein auch in Notzeiten vorhandener unsichtbarer Schatz, ein seelisches Vermögen, das uns – wie Herzschlag und Atem – als eine unbewusste Kraft meist still und unbemerkt von Tag zu Tag trägt. »Dum spiro spero – Solange ich atme, hoffe ich«, sagt ein altes Sprichwort und weist darauf hin, dass schon die Weisen des Altertums das Hoffen als ein so elementares Lebenselixier wie das Atmen ansahen. Damit hätten wir schon eine kleine Erkenntnis: Die Hoffnung könnte so etwas sein wie der Atem der Seele.

Was könnte das heißen für den, der gerade in der Beklemmung der Hoffnungslosigkeit zu ersticken fürchtet? Heißt das etwa, dass er gewissermaßen »seelische Atemübungen« zu ihrer Wiederbelebung machen könnte? Schließlich heißt es sogar im Volksmund: »Die Hoffnung stirbt zuletzt.« Also kann, solange wir physisch am Leben sind, auch unsere Hoffnung niemals mausetot sein. Ihr Herz klopft noch. Aber sie braucht dringend unser Interesse und unsere Zuwendung, unsere Hege und Pflege, um zu Kräften zu kommen. Und sie braucht Übung, als wäre sie eine leibliche Funktion.

Die Hoffnung ist der Motor all unseres Erfahrungs- und Wachstumsvermögens. Und jeder von uns trägt bereits einen großen Vorrat guter Erfahrungen von gelungenem Leben in sich, möge er ihn momentan auch verloren glauben. Hat nicht etwa jeder von uns Laufen gelernt und dabei die Hoffnung nicht aufgegeben?

Was aber ist es, das uns bisweilen hindert, uns von Hoffnung motivieren zu lassen? Die es doch geben muss, denn woher nähmen wir sonst die Kraft, von Tag zu Tag zu gelangen? In jedem Leben gibt es Hoffnungskrisen. Die Frage ist nur, wie wir ihnen begegnen.

Wenn nach einer langen Krankheit die körperliche Gehfähigkeit gelitten hat, ist uns klar, was wir zu tun haben: Wir brauchen Zeit und Raum, um unsere Muskeln und unsere Beweglichkeit zu üben. Wir werden uns bewusst, dass die Fähigkeit, uns körperlich fortzubewegen, in hohem Maße eine Fertigkeit und das Resultat eines Übungsprozesses ist. Könnte es also sein, dass wir auch zur Übung und Entfaltung unseres seelischen Vermögens Zeit aufwenden müssten, uns Raum nehmen, Übungen ersinnen, die die Hoffnung tragfähig und beweglich machen? Dass Hoffnungslosigkeit kein unabwendbares Schicksal ist? Dass das Abenteuer, das wir Leben nennen, sich im Visier einer gut geübten Hoffnung so reichhaltig und vielfältig zeigt, dass wir es gar nicht ausschöpfen können?

Brigitte Romankiewicz

Aus dem Buch