Türchen 12 – Eine Weihnachtsgeschichte
Benni hat im Krankenhaus viel Zeit um über die Weihnachtsgeschichte nachzudenken. Seine Version der Geschichte sieht nämlich ganz anders aus...
Advent Weihnachten Familie KrankheitDer Löwe an der Krippe - Eine Weihnachtsgeschichte
Er hatte sich so auf Weihnachten gefreut! Jetzt lag er im Krankenhaus und hatte überall blaue Flecken. Sein linkes Bein war geschient. Sein Fahrrad war ein Trümmerhaufen.
Jeden Tag besuchte ihn seine Mutter. »Mama, bin ich Weihnachten wieder zu Hause?«, fragte er immer zuerst. Sie nickte dann und flüsterte: »Ich hoffe.« Erst danach bettelte er: »Bitte, erzähl mir noch einmal die Weihnachtsgeschichte.« Geduldig erzählte sie, auch dann, wenn er sie unterbrach. »Mama, was für Tiere waren im Stall beim Jesuskind?«
Sie streichelte liebevoll seine Hände. »Ich weiß es nicht genau. Auf den alten Bildern sieht man Ochs und Esel.« Bennis Augen glänzten. »Haben die auf das Kind aufgepasst?«
Sie lachte. »Vielleicht.«
Benni war nicht zufrieden. »Ein Löwe könnte viel besser aufpassen. Löwen haben keine Angst.«
»Das stimmt!«, antwortete sie gerührt. »Nur hatte Jesus bestimmt Angst vor dem Löwen.«
Er schüttelte den Kopf. »Jesus hatte doch keine Angst! Aber ich glaube, mit einem Löwen konnte er nicht kuscheln.«
Sie schmunzelte. »Damit wären Maria und Josef bestimmt nicht einverstanden. Aber mit einem Esel kann ich mir das auch nicht vorstellen.« Benni sah auf sein Bein und dann zu seinem Stoffhasen. »Ich glaube, er würde sich über einen Hasen freuen.«
Bei jedem Besuch stellte Benni neue Fragen zu der alten Geschichte. »Mama, hatte Josef auch einen Unfall, so wie ich?« »Davon habe ich noch nie etwas gehört. Aber vielleicht taten ihm die Füße weh nach der langen Wanderung.«
Mit dieser Aussage war Benni zufrieden. Irgendwie fühlte er sich mit Josef verbunden.
»Mama, in der Stadt habe ich noch nie Hirten und Schafe gesehen. Vielleicht ist der Weihnachtsengel ja auch zu anderen Menschen gekommen.«
»Das wäre möglich«, sagte die Mutter.
»Ich glaube, er wäre zu Achmed und Eddie gekommen. Die hätten sich bestimmt gefreut.«
Sie schaute ihn fragend an. »Hast du dir die Namen ausgedacht?«
Er schüttelte energisch den Kopf. »Die zelten unten am Kanal. Da wohnen die, das sind meine Freunde.«
Sie geriet kurz aus der Fassung. »Bist du wieder unter der Brücke gewesen? Das ist viel zu gefährlich.«
Benni schwieg kurz. Dann schaute er sie ernst an: »Achmed hat gesagt, ich muss keine Angst haben. So wie der Engel in der Geschichte.«
Beim nächsten Besuch erzählte die Mutter von den Heiligen Drei Königen. »Eigentlich waren es keine Könige«, fügte sie hinzu, »sondern weise Männer.«
Benni dachte kurz nach. »Ich finde Könige besser. Am liebsten mag ich Königinnen.«
Sie schaute ihn verwundert an. »Du magst Königinnen? Wie kommst du denn darauf?«
»Ich mag die Meerkönigin. Papa hat von ihr vorgelesen. Und die Weinkönigin finde ich toll.«
Jetzt machte sie große Augen. »Die Weinkönigin?«
»Das weißt du doch, Mama! Die war im Sommer auf dem Weinfest mit den vielen Buden aus Holz. Sie sah so schön aus.«
»Wer sah schön aus?«, fragte sie nach.
»Na, die Weinkönigin. Kennst du auch eine Königin?«, lenkte er geschickt ab.
(…)