Türchen 15 – Ein Licht im Dunklen

Welche Bedeutung das »Licht« in der skandinavischen Winterzeit hat erfahren Sie hinter dem heutigen Türchen.

Advent Weihnachten

Dunkelheit und Licht

Das Licht im Dunkeln ist eines der zentralen Elemente des skandinavischen Weihnachtsfestes. Es scheint umso heller, je dunkler es draußen ist. Mit Lichtern erhellt wird nicht nur das Innere der Wohnung oder des Hauses; auch in den Fenstern stehen Kerzen, die zeigen: Zuhause ist, wo Licht sichtbar ist. Wenn man im Winter durch skandinavische Straßen geht, dann erleuchten diese Fensterlichter die Dunkelheit mit ihrem warmen Schein. Es werden keine Rollläden heruntergelassen oder Gardinen zugezogen – jeder kann sehen, dass in den Räumen hinter den Fenstern ein Heim ist. Heutzutage sind es vor allem elektrische Lampen (in Schweden immer zwei gleiche!) und vor allem die siebenarmigen konischen Holztreppen, die weit sichtbar leuchten.

Das Licht in den Fenstern kann allerdings auch eine ausgrenzende Funktion haben – für diejenigen, die kein Zuhause habe: So bemerkt »Das kleine Mädchen mit den Schwefelhölzern« (Hans Christian Andersen), das allein und frierend im Schneetreiben unterwegs ist, dass »hinter allen Fenstern die Lichter glänzen«.

Bis jeder Haushalt mit Strom versorgt wurde und somit durch elektrische Leuchten viel mehr Licht brannte, hatte es gedauert: Das erste schwedische Elektrizitätswerk versorgte ab 1884 in Göteborg rund 1000 Straßenlaternen gelegentlich mit Beleuchtung.

Doch bis auch der letzte Hof auf dem Land angeschlossen war, sollten noch Jahrzehnte vergehen – 1930 musste noch immer mehr als jeder zehnte schwedische Haushalt ohne Strom auskommen. Marie Hamsun beschreibt in »Der Regenbogen« die Lebensbedingungen um 1920. Die Familie hatte das Gut Nørholmerworben und war gerade eingezogen: Sie hatten kleine Petroleumlampen an die Wand gehängt. Die Gemeinde hatte den Anschluss an das Stromnetz versprochen, aber es sollte drei Jahre dauern, bis es elektrisches Licht gab. Aber trotz dieser Unannehmlichkeiten schätzte Marie Hamsun das »gelbe, sanfte Licht«.

Der flackernde Schein einer Petroleumlampe oder einer Kerze hat eben eine besondere Hygge-Qualität, die durch elektrische Lichter nur bedingt zu erzeugen ist, und deswegen gehören sie unbedingt zu Winter und Weihnachten, in Skandinavien besonders.

Während in Deutschland der jährliche Kerzen-Pro-Kopf-Verbrauch mit 2,4 Kilogramm beziffert wird, liegt er in Dänemark bei 4,3 Kilogramm. In Skandinavien waren/sind die Kerzen üblicherweise aus Stearin (statt aus Paraffin, Talg oder Bienenwachs), die mit einer hohen Flamme und angenehmem Licht brennen. Eine besonders charakteristische Kerzen-Form ergibt sich dadurch, dass sie »gezogen«, also durch häufig wiederholtes Eintauchen der Dochte in flüssiges Wachs hergestellt werden.

Mit diesem Verfahren kann man auch mehrarmige Kerzen produzieren, indem man mehrere Dochte miteinander verbindet. Während in Deutschland in der Adventszeit langsam eine Steigerung der Helligkeit vollzogen wird, die mit den Lichtern des Weihnachtsbaums um ein Vielfaches zunimmt, steigen die Skandinavier nach einem ebenfalls zaghaften Start gleich mit einem erleuchtenden Paukenschlag in die eigentliche Weihnachtszeit ein, wenn am 13. Dezember mit der Lucia-Kerzen-Krone das Licht (Dänisch und Norwegisch »lys«, Schwedisch »ljus«) gefeiert wird: zuhause, in den Kirchen, in Behörden und Firmen, aber auch auf den Straßen und Plätzen: Das Licht kehrt zurück!

Aus dem Buch