Türchen 15 – Freude schenken

Wie die örtliche Polizei einen 94-Jährigen in der Corona-Zeit an Heilig Abend zu Tränen rührte, das lesen Sie in der heutigen wahren Geschichte.

Advent Weihnachten Nächstenliebe Hilfsbereitschaft

Helfer in der Not

Die erste Welle der Corona-Pandemie im Frühjahr 2020 traf Italien wie kein anderes Land in Europa. Es meldete die meisten Infizierten, die meisten Toten. Die zweite Welle in der Weihnachtszeit war genauso verheerend. Die Regierung riet den Bürgern, jegliche Kontakte mit den Mitmenschen zu meiden. Sie durften in dieser Zeit die Häuser nur verlassen für dringende Arztbesuche, für die notwenigsten Einkäufe und den Gang zur Arbeit. Home Office wurde empfohlen.

Auch in diesem besonderen Jahr sind sie wieder dran: Matteo und Luca, die beiden Junggesellen auf dem Polizeirevier von Alto Reno Terme, müssen Weihnachten Dienst schieben. Sie verstehen sich gut, darum ist es halb so schlimm. Zudem vermuten sie, dieses Jahr wird es nicht turbulent zugehen, denn es gilt im ganzen Land eine strikte Ausgangssperre.

So ist es bisher ein ruhiger Abend. Doch dann geht ein Notruf ein. An der Stimme erkennt man, es ist ein sehr alter Mann, der um Hilfe bittet. »Es geht mir gut, sorgen Sie sich nicht! Aber ich fühle mich an diesem Heiligabend so einsam. Immer hat die ganze Familie zusammen Weihnachten gefeiert.

Wie Sie wissen, ist dieses Jahr alles anders. Meine Kinder, Enkel und Urenkel dürfen nicht reisen, können mich nicht besuchen. Ich sitze hier ganz allein und starre die Wände an. Hätten Sie vielleicht einen Beamten, der zehn Minuten bei mir vorbeikommen könnte? Mir fehlt eine Person, mit der ich anstoßen kann.«

Matteo und Luca erinnern sich an den Aufruf des Papstes, an den Weihnachtstagen an die Kranken und Einsamen zu denken. Sie schauen sich an. Ein Blick, ein Gedanke: Ein wirklicher Notfall, wir müssen ausrücken. Der Dritte im Bunde, Francesco, hält die Stellung auf dem Revier. Die beiden Carabinieri setzen sich in ihren Streifenwagen und fahren zu der angegebenen Adresse. Der alte Mann öffnet ihnen die Tür und strahlt sie an. Auf dem Tisch stehen eine Flasche Sekt und Gläser. Endlich hat er jemanden, dem er zuprosten kann. Ein Rückruf bei Francesco erlaubt Matteo und Luca, sich Zeit zu nehmen. Im Bezirk ist es ruhig. So plaudern sie gemütlich mit dem 94-Jährigen, hören seinen Berichten von früheren Weihnachtsfeiern zu. Der Senior erzählt den beiden Ordnungshütern der Barmherzigkeit, dass seine Kinder im Süden des »Stiefels« wohnen und sie ihn wegen des Ausgangsverbotes nicht besuchen können.

Plötzlich hat Luca die Idee, mit seinem Smartphone einen Videoanruf bei den Kindern zu starten. Völlig sprachlos starrt der alte Mann auf das Display, als er seinen Sohn und seine Enkel sieht und hört. Genauso sprachlos ist die Gegenseite, weil sie so etwas dem alten Mann nicht zugetraut hat. Seine uniformierten Helfer verschweigt er geflissentlich. Mit tränenerfüllten Augen und überglücklichem Herzen kann der Senior mit seinem Sohn sprechen, von Angesicht zu Angesicht, seiner Schwiegertochter und seinen Enkelkindern zuwinken und allen einen persönlichen Weihnachtsgruß schicken. Nach dem Videoanruf bedankt der immer noch Fassungslose sich mit glänzenden Augen, staunt noch immer über die moderne Technik, die allen so viel Nähe brachte.

Als Matteo und Luca sich verabschiedet hatten, überlegte der alte Mann, was sie wohl in ihren Einsatzbericht schreiben würden. Die beiden fassten ihn kurz und bündig ab; doch ein Zeitungsreporter, der von der Aktion erfuhr, machte eine Riesengeschichte daraus. Was sie eigentlich auch war. Alto Reno Terme unweit der italienischen Großstadt Bologna wurde für kurze Zeit weltbekannt.

Aus dem Buch