Lachen macht leicht

Lachen hat viele positive Facetten. Warum es in jeglichen Situationen gut ist, es uns »leicht« macht und sogar therapeutisch wirken kann, das erzählt uns Irmtraud Tarr.

Ermutigung Ratgeber

Zunächst ein paar Fragen:

Wie oft lachen Sie?
Worüber lachen Sie?
Mit wem lachen Sie am liebsten?
Wann vergeht Ihnen das Lachen?
Welche Note würden Sie Ihrem Humor geben – abzüglich Schadenfreude und Auslachen?
Wenn Sie an Ihr Ende denken, wäre es Ihnen lieber, Ihre Mitmenschen würden Ihren Sinn für Humor würdigen oder Ihre moralische Makellosigkeit?
Wollten Sie lieber als humorvoll oder als ernst geschätzt werden?

Lachen ist kein naiver Reflex – es kann unser Leben verändern, wenn es echt ist. Lachen sorgt für Entlastung und sozialen Ausgleich. Lachen ist die Auflehnung gegen die allgegenwärtige Angst und das katastrophengebeutelte Bewusstsein. Wir brauchen es wie das Atmen, um den Zumutungen des Alltags standzuhalten. Beobachten Sie sich selbst, wie Sie beim Lachen Weite und Raum bekommen, wie schlechte Gefühle sich verflüchtigen, wie Erleichterung, Heiterkeit und mitunter ein kleines Glück einkehren.

Die therapeutische Wirkung von Lachen

Lachen macht leicht, weil es viel kann und nichts muss. Es signalisiert: Nichts wird passieren, du bist sicher. Lachen wirkt therapeutisch, weil es geistesgegenwärtig macht. Es stiftet Mitmenschlichkeit, Zusammengehörigkeit, Lockerheit und Freundlichkeit. Es öffnet die Menschen füreinander, macht unser Herz und unsere Hände leichter, vor allem an Tiefpunkten, bei Anspannung, Hoffnungslosigkeit, Traurigkeit und Verzweiflung. Jemand, der andere zum Lachen bringt, hat im Nu das Eis gebrochen. Menschen, die nahe am Lachen gebaut haben, zeigen es uns jeden Tag. Sie tun sich nicht nur leichter in vielen Lebenslagen, sie erreichen auch mehr. Und sie neigen weniger zu Pessimismus, Depression und Einsamkeit, weil sie »mit leichtem Herzen geben, nehmen, halten und lassen«. [Zitat aus: »Der Rosenkavalier«, Libretto zur gleichnamigen Oper von Strauss/Hofmannsthal, Uraufführung 1911, 1. Akt.]

Lachen kann Mauern sprengen

Lachen kann Glück sein, aber Glück ruft eher Überraschung oder Staunen hervor. Lachen hingegen ist Ausdruck der Überwindung von Glücklosigkeit, Befreiung und Erleichterung – nicht im Alleingang, sondern dort, wo Kontakt, Begegnung, Beziehung und Mitmenschlichkeit gelebt werden. Wer hat es nicht schon erlebt, dass man mit Lachen besser überzeugen kann als mit Argumenten oder dass sich aggressiv geladene Auseinandersetzungen entspannen und rigide Haltungen lösen? Lachen ist das Gegenteil von Verstummen, weil es Verständigung, Nähe, befreiende Spielräume, geglückte Formulierungen und neue Deutungen schafft. Lachen kann Mauern, Verhärtungen und Grenzen sprengen. Seine Wirkung besteht vor allem darin, die Welt aus der Distanz zu porträtieren, ihr das stressige Getriebe zu nehmen und die Dinge aus unerwarteten Blickwinkeln zu betrachten. Das ist befreiend, erleichternd und wohltuend.

Ein lachender Körper ist ein leichter Körper, der unsere Leiblichkeit ausdrückt, weil wir uns lösen, entspannen und nicht mehr anhaften. Wir geben uns dem Moment hin. Der Aufwand an Anstrengung und Geschick, den Menschen auf die Kontrolle und Unterdrückung von Launen und Macken verwenden, wird plötzlich hinfällig. Wir sind ganz einfach, weil wir unseren Körper sprechen lassen. Weil wir uns dem Jetzt hingeben.

Warum sind wir leicht, wenn wir lachen? Weil wir die Kontrolle und die gesellschaftlichen Zwänge aufgeben und loslassen. Als Klang dazu fällt mir die Musik von Mozart ein, ihre Einfachheit, anmutige Eleganz, Unbeschwertheit. Im Lachen zeigt man sich, hat man den Mut, sich eine Blöße zu geben und vergisst für den Moment die Regeln des Verstands, der Konventionen und des Anstands.

Lachen ist immer auch ein Trotzdem, hinter dem sich letztlich verbirgt, wie verletzlich, fehlbar, lächerlich wir Menschen sein können. Und ein Nichtsdestotrotz, das unseren inneren Handlungsspielraum erweitert, indem es aus Hilflosigkeit und Ohnmacht befreit. In diesem Nichtsdestotrotz steckt dreierlei: »Nichts« bleibt, wie es ist, »desto« kündigt die Wendung zum Positiven an, »trotz« vermittelt die Haltung: »Ich lasse mich nicht unterkriegen«. Lachend akzeptieren wir unsere Endlichkeit, lachend lassen wir los und laden wir die Zuversicht ein, lachend wehren wir uns und sind für einen Moment befreit.

Lachen kann angespannte Situationen auflösen

Eine Freundin brachte es mir gegenüber einmal auf den Punkt: »Nur weil ich lache, heißt das nicht, dass ich dich nicht hauen möchte!« Die lachende Kunst des »Nichtsdestotrotz« hilft uns, eigenen und fremden Unzulänglichkeiten zu begegnen und uns von melancholischen Zweifeln zu befreien. Nicht durch stoische Ruhe – die überlassen wir den Stoikern –, auch nicht durch Demut – die hilft den Demütigen –, sondern indem sie unsere Unzulänglichkeiten in ein neues Licht rückt, verrückt oder zurechtrückt.

Wenn alle Worte versagen, bleibt immer noch der Ausweg ins Lachen. Eine komische Situation werde ich nie vergessen: Es ging um die Vergesslichkeit einer älteren Dame wegen ihrer fortschreitenden Alzheimererkrankung, worauf sie listig meinte: »Es hat auch Vorteile, wenn man die Oldtimerkrankheit hat.« Im Nu war die angespannte Situation in Lachen aufgelöst.

Die Haltung des Humors kann zur rettenden Hand werden, wenn alles andere versagt, weil Lachen Distanz oder Abstand schafft und eine Perspektive ermöglicht, die uns über die Situation stellt. Lachen rückt die Lebensbilanz aus den roten in die schwarzen Zahlen. So tröstete mein Findelkind mich über den spärlichen Gottesdienstbesuch in unserer Kirche, in der ich den Gottesdienst orgelte, mit den Worten: »Das hat sicher mit dem Klimawandel zu tun.« Und ermunterte mich: »Spiel doch einfach, als wäre es nicht so heiß.«

Lachen ohne Trotz macht weinerlich, Trotz ohne Lachen macht bitter. Wir brauchen beides! Lachen kann zum rettenden Spielraum werden, wenn sämtliche Auswege verbaut sind. Es hilft besser aus der Patsche als ein Tobsuchtsanfall oder ein Um-sich-Schlagen.

[Auszug aus Kap. 1 »Humor – der Schwimmring im Fluss des Lebens«]

Über die Autorin

© Roswitha Frey

Irmtraud Tarr

Dr. Irmtraud Tarr ist Psychotherapeutin, Universitätsprofessorin und international tätige Konzertorganistin. Sie erhielt eine Vielzahl an Kulturpreisen. Sie ist Autorin von über 30 Fachbüchern und Ratgebern, die in viele Sprachen übersetzt wurden. Sie wirkt und lebt in Rheinfelden.
www.irmtraud-tarr.de

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