Veränderung braucht Mut

Einen neuen ungewissen Weg im Leben einzuschlagen, erfordert nicht nur Neugier, sondern vor allem Mut. Wer voll Vertrauen in sich selbst wagt, erste Schritte zu gehen, der wird oft belohnt. Das gilt im Großen wie im Kleinen, wie die humorvolle Geschichte von Thomas Knodel zeigt.

Mut Vertrauen

Hosenschisser mit Doppelsicherung

Schon im zweiten Jahr habe ich eine Saisonkarte für den Kletterwald. Mir macht das Rauf- und Runterklettern in den Bäumen und zwischen den Ästen Freude. Mit angelegten Sicherheitsgurten habe ich beim Klettern auch ein gutes Gefühl. Bei der Anmeldung für die neue Saisonkarte meinte der Trainer Christian: »Wir haben eine neue Challenge! Einen Sprung aus zwölf Metern Höhe. Den musst du mal ausprobieren. Dazu brauchst du aber die Doppelsicherung mit dem Extra-Karabiner. Die Anleitung ist oben am Baum. Kleiner Tipp: Vor dem Absprung den Blick geradeaus, einatmen und beim Ausatmen springen!« Ok, Herausforderungen lasse ich schon an mich heran. Ist ja bisher alles gut gegangen. Natürlich habe ich mir diesen Baum mit der Challenge angesehen. Von unten. Wie ein Vogelnest hing das kleine Podest in der schlanken Buche zum Absprung in einer Höhe von zwölf Metern. Eigenartig. Fast magisch zog mich diese Herausforderung an. Wenn nicht jetzt, wann dann?, überlege ich. Schließlich habe ich alle Übungen im Kletterwald bisher bewältigt.

So steige ich über die Leitern und die gespannten Seile langsam hoch. Dann bin ich oben auf dem Podest. Huiii, zwölf Meter Höhe! Schon beeindruckend. Das hatte ich mir irgendwie anders vorgestellt. Die Kopie in der regengeschützten Folie holt mich zurück in die Wirklichkeit. Doppelsicherung nicht vergessen. Im Brustbereich klinke ich den extra Karabiner des Fallseils an meinem Klettergurt ein. Jetzt muss ich ran. Ich schaue in die Tiefe und halte verkrampft mit beiden Händen das Sprungseil, an dem ich mich festgemacht habe. Soooo tief sind zwölf Meter. Und ich soll da runterspringen? Einfach so in die Tiefe? Ich spüre, wie sich Angst breitmacht. Vom Kopf kriecht sie in den Körper. Nur aus schlechten Träumen kenne ich dieses massiv beengende Angstgefühl. Wie kann ich nur so blöd sein, so etwas überhaupt wollen zu wollen? Aber jetzt kann und will ich nicht mehr zurück. Mein Verstand beruhigt mich etwas. Die Doppelsicherung hat schon andere Leute ausgehalten, und Christian meinte, diese Challenge wäre richtig gut – für so Kerle wie mich – denke ich. Ja, wenn der wüsste … Und so stehe ich in zwölf Metern Höhe als Hosenschisser mit Doppelsicherung! Mühsam gelingt es mir, meine Gedanken wieder unter Kontrolle zu bringen.

Was sagte der Trainer: Schau nicht in die Tiefe. Schau geradeaus an den Horizont – einatmen und beim Ausatmen springen. »Mach jetzt«, sage ich zu mir – und spüre erneut diesen Widerstand. Endlich öffnet sich die Klammer im Kopf: Geradeaus schauen – einatmen und beim Ausatmen springen. Wie ein Sack falle ich in die Tiefe und höre nur noch das Surren der Rollen. Dann setzen die automatischen Bremsen ein und drosseln den Sprung ab. Unten angekommen stehe ich auf beiden Beinen. Juhu – ich lebe noch. Langsam schwebt mein Bewusstsein hinterher. Das Adrenalin zischt in mir – und verwandelt sich in Glück.

Thomas Knodel


Dieser Text ist in unserem Kundenmagazin Frühjahr 2025 erschienen.


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