Frauenpower für Powerfrauen
Die Ausstrahlung der Frauenfiguren der türkischen Künstlerin ist kraftvoll und faszinierend. Wie sie arbeitet und was sie inspiriert: Ein Interview mit Hülya Özdemir.
InterviewDie Frauen der türkischen Künstlerin Hülya Özdemir sehen uns an. Sie treten in Kontakt, als hätten sie uns etwas zu sagen. Dabei sind sie schön und stark zugleich. Jede ist auf ihre Art einzigartig und zeigt selbstbewusst ihre Farben. Sie sind knallig und unübersehbar. Eine ungeheure Anziehungskraft geht von ihnen aus. Wir wollten mehr über diese Frauen wissen und haben die Künstlerin befragt.
Lebe gut: Wer sind die Frauen, die du porträtierst?
Hülya Özdemir: Die Frauen, die ich porträtiere, sind oft fiktive, aber zutiefst emotionale Figuren – mal ruhig, mal kraftvoll, aber immer mit einer Präsenz. Ich lasse mich von Fotografien inspirieren, aber auch von Gesichtern, die ich auf Reisen gesehen oder im Alltag beobachtet habe. Ihr Ausdruck bleibt mir oft im Gedächtnis und findet sich später in meiner Malerei wieder. Auch meine eigenen Erfahrungen und das Gefühlsleben der Frauen um mich herum inspirieren mich. Jedes Porträt ist eine Mischung aus Erinnerung, Imagination und Gefühl.
Lebe gut: Männer spielen in deiner Kunst kaum eine Rolle …
Hülya Özdemir: Das stimmt, und das ist eine bewusste Entscheidung. Ich konzentriere mich auf Frauen, weil ich ihren Geschichten, ihrer Stärke und ihrer Verletzlichkeit Raum geben möchte. In der Geschichte der Kunst wurden Frauen oft mit einem männlichen Blick gesehen und dargestellt – ich versuche, das umzukehren und Frauen ihre eigene Geschichte erzählen zu lassen. Meine Arbeit ist eine Einladung, sie anders zu sehen, ohne den männlichen Kontext. Es geht um Präsenz, nicht um Abwesenheit.
»Stille Form des Widerstands«
Lebe gut: Du bezeichnest dich selbst als Kunstfeministin. Was meinst du damit?
Hülya Özdemir: Für mich bedeutet Kunstfeministin zu sein, die weibliche Erfahrungswelt mithilfe der Kunst zu erforschen und zu bekräftigen. Ich möchte Frauen in meinen Arbeiten als ganzheitliche, komplexe Wesen darstellen – nicht als dekorativ oder zweitrangig. Meine Porträts sprechen Themen wie Identität, Emotion und Resilienz an, ohne mit den Augen einer männlichen Dominanz erklärt werden zu müssen. Es ist eine stille Form des Widerstands, die mit Farbe und Emotion umgesetzt wird. Feminismus prägt nicht nur den Inhalt meiner Kunst, sondern auch die Art und Weise, wie ich sie darstelle.
Lebe gut: Deine Frauen zeichnen sich aus durch eine große Haarpracht. Haben die Haare eine besondere Bedeutung für dich?
Hülya Özdemir: Ja, das Haar ist für mich ein starkes Symbol. Es steht für Individualität, Stärke, Sinnlichkeit – und manchmal auch für kulturelle Identität. In vielen meiner Arbeiten deutet das Haar auch auf die innere Gedankenwelt der Frauen. Ich liebe es, wie es fließt, Raum einnimmt und sich jeder Kontrolle entzieht. Es ist auch ein visuelles Mittel, mit dem ich Stimmungen und Bewegung ausdrücke.
Lebe gut: Du bist eine türkische Künstlerin, die in Bodrum in der Türkei lebt und arbeitet. Wie reagiert deine nächste Umwelt auf deine Kunst?
Hülya Özdemir: Es gab Menschen in meiner Gegend, die mich persönlich kennengelernt und meine Bilder schließlich auch gekauft haben, was für mich etwas ganz Besonderes war. Diese Begegnungen bedeuten mir viel und sind sehr ermutigend für mich. Bisher hatte ich jedoch noch keine Gelegenheit, eine Ausstellung in Bodrum zu organisieren. Ich hoffe, in Zukunft die richtige Zeit und den richtigen Ort dafür zu finden. Bis dahin unterstützen die Ruhe der Natur und die Atmosphäre dieses Ortes meinen kreativen Prozess sehr.
Lebe gut: Was sind deine nächsten künstlerischen Pläne?
Hülya Özdemir: Ehrlich gesagt habe ich im Moment keine festen Pläne. Ich lasse den Dingen einfach ihren Lauf. Ich genieße es, nicht genau zu wissen, was als Nächstes kommt – das hält den Prozess lebendig und spontan. Manchmal entstehen die besten Dinge aus dieser Offenheit. In gewisser Weise möchte ich mich auch selbst überraschen lassen.
Dieses Interview ist in unserem Kundenmagazin Herbst 2025 erschienen.
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