ADHS im Erwachsenenalter

Die sogenannte »Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung« tritt nicht nur bei Kindern auf, sondern wird immer häufiger im Erwachsenenalter diagnostiziert. Lesen Sie hier einen kleinen Auszug, mit welchen Problemen Betroffene konfrontiert sind.

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Es hat Jahre gedauert, bis anerkannt wurde, dass ADHS oder ADS auch bei Erwachsenen vorkommt. Erst in den Achtzigerjahren des letzten Jahrhunderts setzte sich die Erkenntnis durch, dass das Phänomen ADHS nicht einfach im magischen Alter von achtzehn Jahren verschwindet. Leider gibt es keinen Zauberstab, der alle Probleme von ADHS-Betroffenen mit einem Schlag lösen kann, aber glücklicherweise sind doch immer mehr Methoden für einen besseren Umgang mit diesen Problemen entwickelt worden.

Die verschiedenen Gesichter der Erkrankung

Die für ADHS typischen Symptome Aufmerksamkeitsmangel, Hyperaktivität und Impulsivität bleiben in der Regel auch im Erwachsenenalter bestehen. Manche Betroffene haben eher Konzentrationsschwierigkeiten, bei anderen stehen vor allem Impulsivität oder Hyperaktivität im Vordergrund. Das ist auch ein Grund, warum ADHS manchmal jahrelang nicht erkannt wird. Manche Menschen nennen die Erkrankung daher auch spaßhaft »all day high stress« (jeden Tag sehr gestresst). Doch es gibt auch sehr ruhige Menschen mit ADHS, die in erster Linie Aufmerksamkeitsprobleme haben und die ihre Aufgaben immer wieder vor sich herschieben, ohne hektisch zu wirken. ADHS lässt sich nicht einfach auf einen bestimmten Nenner bringen, und das macht es nicht leicht, eine Diagnose zu stellen.

Die folgenden Zitate geben einen Eindruck davon, wie manche Erwachsene ihr ADHS erleben:

• »Ich bin wie ein Computer, der immer eingeschaltet ist, sogar nachts.«
• »In meinem Kopf herrscht immer Chaos. Eigentlich ist mein ganzes Leben ein einziges Chaos.«
• »Ich bin so verträumt, so abwesend … Das ist lästig. Ich reagiere zu langsam. Oder ich falle in einem Gespräch oder während einer Sitzung oft auf, weil ich nicht bei der Sache bin.«
• »Ich vergleiche mein ADHS mit einer ständig weiterratternden Waschmaschine in meinem Kopf. Einerseits ist das toll, als hätte ich jeden Abend Harry Potter in meinem Kopf. Andererseits ist es aber auch schrecklich anstrengend, denn manchmal werde ich auch dunkle Gedanken nicht los.«

Viele Betroffene haben nicht nur mit ADHS, sondern auch mit Schlafproblemen, heftigen Emotionen, Niedergeschlagenheit, Ängsten oder einer Sucht zu kämpfen. Dass manchmal nicht ganz klar ist, welches dieser Phänomene am stärksten im Vordergrund steht, kann eine konkrete Diagnose zusätzlich erschweren.

In ersten Kapitel unseres Buches möchten wir für mehr Klarheit sorgen, indem wir folgende Fragen thematisieren: Was ist ADHS? Warum dauert es so lange, bis ADHS bei Erwachsenen (an-)erkannt wird? Wie wird eine Diagnose erstellt? Wie oft kommt ADHS bei erwachsenen Männern und Frauen vor? Mit welchen anderen Beschwerden oder Problemen kann ADHS einhergehen?

Was ist ADHS?

ADHS ist eine Störung, die man als Erwachsener nicht plötzlich entwickelt. Sie ist vorwiegend genetisch bedingt und tritt in den meisten Fällen bereits in der Kindheit auf. Wenn es in dieser Zeit bereits zu Problemen kommt, beeinträchtigt die Störung die normale Entwicklung des Kindes bis hin zum Erwachsenenalter. Darum wird sie manchmal auch als »Entwicklungsstörung« bezeichnet. ADHS wird von einer bestimmten Struktur und Funktionsweise des Gehirns hervorgerufen. Daher wird ADHS auch häufig mit dem Etikett »neurobiologische Störung« versehen. Obwohl ADHS-Betroffene sich hinsichtlich der Art ihrer Probleme unterscheiden, weisen sie doch eine Reihe gemeinsamer Eigenschaften auf, die sich in drei große Symptomgruppen einordnen lassen: Aufmerksamkeitsprobleme, Hyperaktivität und Impulsivität. [...]

Eigentlich hat jeder irgendwelche ADHS-»Symptome«. Aber um die Diagnose ADHS zu stellen, müssen sich diese Symptome häufig und lange genug (seit der Kindheit) bemerkbar gemacht haben. Außerdem sollten sich die typischen ADHS-Merkmale auch in unterschiedlichen Lebensbereichen zeigen, nicht nur in der Schule oder später am Arbeitsplatz, sondern auch zu Hause oder in sozialen Beziehungen. Wie bei vielen Störungen können auch bei ADHS die Symptome in leichterer oder schwererer Form auftreten. Bestimmte Ereignisse im Leben der Betroffenen können sie verstärken oder vermindern. Und ebenso können sich die persönliche Lebensweise und der konkrete Umgang mit ADHS darauf auswirken, wie sehr ADHS als Störenfried fungiert. Die Störung wird bei Erwachsenen vielleicht nie ganz verschwinden, aber es lässt sich gut mit ihr leben. [...]

Gil Borms, Steven Stes, Ria van Den Heuvel, Auszug aus Kap. 1 des Buches »Leben mit ADHS – Selbsthilfe für Erwachsene«

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